„Nicht taxonomie-konforme Gebäude müssen mit Preisabschlägen von 10 bis 30 Prozent rechnen."

Peter Engert, Geschäftsführer der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI) spricht im Interview über Nachhaltigkeit als Instrument der Risikostreuung und Wertstabilisierung, ein technologieoffenes Förderregime und Greenwashing.

Wie hat sich Ihrer Meinung nach das Bewusstsein für Nachhaltigkeit in der Immobilienbranche in den letzten Jahren entwickelt?

Peter Engert: Die Nachfrage nach beweisbarer Nachhaltigkeit ist seit Einführung der EU-Taxonomie-Verordnung stark gestiegen. Vor allem die Banken, die Nachhaltigkeit als Element ihrer Risikobeurteilung erkannt haben, treiben diese Nachfrage an. Das Bewusstsein für Nachhaltigkeit ist sicher gestiegen, leider noch nicht in dem Ausmaß wie die Nachfrage.

Welche sind die größten Herausforderungen bei der Umsetzung nachhaltiger Praktiken in der Immobilienwirtschaft?

Die Herausforderungen sind in allen Bereichen groß, da viele Lösungen neu sind und die Marktdurchdringung noch nicht gegeben ist. Die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft steht am Anfang, bestehende Gesetze behindern eher, als dass sie unterstützen. Bei der dringend notwendigen Sanierung des Bestands fehlen noch leistbare Lösungen seitens der Industrie, bei der Reduktion der CO2-Emissionen braucht es noch die richtigen Technologien. Aller Anfang ist schwer, aber wenn wir nicht beginnen, wird sich nichts entwickeln.

Welche Lösungen schlagen Sie vor?

Als Vertreter des europäischen Qualitätszertifizierungssystems DGNB haben wir in all unseren Steckbriefen, die dem Zertifizierungsprozess zugrunde liegen, Lösungsansätze verarbeitet. Von Ökologie bis zur sozialen Nachhaltigkeit gibt es für alle Anforderungen ökonomisch vertretbare Lösungsansätze, denn Nachhaltigkeit muss sich langfristig immer rechnen.

Wie bewerten Sie die aktuellen gesetzlichen Rahmenbedingungen in Österreich im Hinblick auf die Förderung nachhaltiger Immobilienprojekte?

Vom Gesetzgeber zu verlangen, immer an der Spitze der Entwicklung zu agieren, ist illusorisch. Wir fordern daher eine Gesetzgebung und ein Förderregime, das technologieoffen und ermöglichend agiert. Die bisher verwendete „Verbotsgesetzgebung“ und rückwärtsgewandte Förderungen entsprechen nicht mehr der rasanten Weiterentwicklung von Technologien oder der Nachhaltigkeit.

Welche Rolle spielen Zertifizierungssysteme wie etwa DGNB oder LEED für nachhaltige Gebäude in Österreich und wie unterstützt die ÖGNI diese Initiativen?

Wir entwickeln gemeinsam mit unseren europäischen Partnern das DGNB-System weiter und wenden es in Österreich und Mitteleuropa an. Unsere Auditoren werden zu diesem System geschult und regelmäßig weitergebildet. Eine DGNB-Zertifizierung der ÖGNI ist weltweit bei Investoren und in der Finanzwirtschaft anerkannt. LEED ist ein amerikanisches System und passt unserer Meinung nach nicht zur europäischen Baukultur.

Welche Rolle spielen Projektentwickler bei der Erreichung der nachhaltigen Nachhaltigkeitsziele?

Die Entscheidende. Sie entscheiden, ob ein tolles, nachhaltiges und daher wirtschaftlich langfristig erfolgreiches Projekt entsteht oder nicht.

Wie kann die ÖGNI Projektentwickler unterstützen?

Mit der Anwendung unserer Zertifizierungsgrundsätze ab den ersten Planungsschritten kann die ÖGNI Projektentwickler unterstützen. Damit können wir ihnen garantieren, dass ein nachhaltiges Projekt entsteht, das seine Stärken auch im Betrieb ausspielen kann.

Welche technologischen Innovationen sehen Sie derzeit als entscheidend für die Förderung nachhaltiger Immobilien?

Nachdem die Nachhaltigkeitsbetrachtung der ÖGNI alle drei Säulen untersucht und Ökologie, Soziales und Wirtschaftlichkeit gleich wertet, sind sehr viele technologische Entwicklungen sehr wichtig. Derzeit liegt ein Schwerpunkt sicher auf der CO2-freien Energieversorgung, der Schaffung von Resilienz gegenüber dem Klimawandel und der Kreislaufwirtschaft.

Wie beeinflusst die Nachhaltigkeit den wirtschaftlichen Wert von Immobilien? Gibt es einen klaren Trend in Bezug auf die Rentabilität nachhaltiger Gebäude?

Es gibt mittlerweile sehr klare Aussagen aus verschiedenen Bereichen, wie bewiesene Nachhaltigkeit zu bewerten ist. Auch hier hilft die EU-Taxonomie. Taxonomiekonforme Immobilien können bis zu 80 Bps günstigere Finanzierungen erzielen, nicht taxonomiekonforme Gebäude müssen bei einem Verkauf mit Preisabschlägen von 10  bis 30 Prozent rechnen.

Welche spezifischen Ziele und Projekte hat die ÖGNI für die kommenden Jahre?

Wir wollen Greenwashing zurückdrängen, gerechte Förderungen für bewiesene Nachhaltigkeit und Unterstützung bei der Markteinführung nachhaltiger Produkte und Prozesse. Es muss Spaß machen, nachhaltig zu wirtschaften.

 

Vielen Dank für das Gespräch.

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